Viele denken, dass es bei Marie Kondos Aufräummethode vor allem um darum geht: Aufräumen, Wegwerfen, Minimalismus. Aber im Kern geht es eigentlich um viel mehr als das – es geht um Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber dem, was wir besitzen.  Marie betont, dass ihre Methode nicht eine Technik zum Aufräumen ist, sondern vielmehr eine Anleitung für das richtige Mindset für Ordnung.

Achtsamkeit im Alltag

Der Begriff Achtsamkeit ist seit einiger Zeit sehr in Mode gekommen. Und ich habe oft das Gefühl, dass er für viele Menschen sehr abstrakt bleibt. Vielleicht probieren sie ein paar Übungen dazu aus oder genießen beim Spazierengehen die Umgebung ganz bewusst. Aber das sind alles kleine Ausschnitte in einem Alltag, der oftmals gar nicht von Achtsamkeit geprägt ist. Besteht nicht die eigentliche Kunst der Achtsamkeit darin, in den alltäglichen Dingen achtsam zu sein?

Die japanische Teezeremonie „sadō“

Als Japanerin ist Marie Kondo in einer Kultur aufgewachsen, in der Achtsamkeit und Wertschätzung einen ganz anderen Stellenwert haben als bei uns in der westlichen Welt. Exemplarisch hierfür steht die japanische Teezeremonie „sadō“ (oder „chado“, wörtliche Übersetzung: „Teeweg“). Bei dieser Zeremonie wird nach einem festgelegten Regelwerk Matcha Tee (gemahlener Grüntee) sehr bewusst zu sich genommen. Diese Zeremonie ist ein sehr achtsames Ritual, das auf Regeln beruht, die aus dem Zen-Buddhismus stammen. Der Kreis zum Begriff der Achtsamkeit, so wie wir ihn verwenden, schließt sich dann wieder, wenn man weiß, dass die Wurzeln dieses Begriffs ebenfalls im Zen Buddhismus liegen.

Der Teezeremonie „sadō“ liegen 4 Prinzipien zugrunde, die man auch in Marie Kondos Philosophie wiedererkennen kann:

Harmonie (wa): Hier geht es um die Einheit mit der Natur. Diese Einheit findet ihre Entsprechung in der Zeremonie im Zusammenspiel der Teilnehmer, der verwendeten Utensilien und der Jahreszeit.

Respekt (kei): Dieses Prinzip entspringt einem Gefühl von Dankbarkeit. Dieser Respekt wird untereinander praktiziert, aber auch in Bezug auf die verwendeten Gegenstände. Diese werden sehr respektvoll und mit viel Bedacht eingesetzt.

Reinheit (sei): Bei diesem Begriff geht es um Ordnung und Sauberkeit. Dabei ist nicht nur das Außen gemeint, sondern auch das Innere: Während der Gastgeber die Utensilien in voller Hingabe an die Aufgabe reinigt, wirkt sich das auch auf sein Herz und seinen Geist aus. In diesem Prinzip steckt auch die Einfachheit – in Form der Reduktion aufs Wesentliche.

Stille (jaku): Die Stille gehört als ganz wichtiges Element zum gesamten Prozess: Es geht darum, zur Ruhe zu kommen und den Lärm des Alltags außen vor zu lassen.

© Conny Marshaus photography

Vor diesem Hintergrund wird deutlicher, dass es bei Marie Kondos Aufräummethode um viel mehr geht als nur ums Aufräumen. Sie weist immer wieder darauf hin, dass wir unsere Besitztümer wertschätzen sollen. Selbst wenn wir uns von Dingen trennen, sollen wir das achtsam tun und uns in Dankbarkeit von ihnen verabschieden.

Achtsames Putzen im Zen Buddhismus

Im Zen Buddhismus wird auch achtsam geputzt: Buddhistische Priester beginnen ihren Tag mit der achtsamen Reinigung ihrer Zelle. Dabei geht es darum, den Geist von weltlichen Sorgen und Verhaftungen zu reinigen. Das beschreibt der japanische Priester Shoukei Matsumoto in seinem Buch „Die Kunst des achtsamen Putzens“. Ich finde diese Perspektive sehr spannend, da bei uns die Hausarbeiten eher den Stellenwert eines notwendigen Übels haben.

Aber was haben wir davon, wenn wir uns achtsamer, also bewusster einigen alltäglichen Handlungen zuwenden? Bei uns in der westlichen Welt stehen oft Funktionalität und Nutzen im Vordergrund – in der Wohnumgebung kommt vielleicht noch die Ästhetik dazu. Das ist zwar nicht falsch, aber wir schneiden uns dadurch eine wichtige Dimension des Lebens ab: Nämlich die Dinge, die wir besitzen, zu genießen und bewusst zu schätzen. Das bringt Freude und Zufriedenheit ins Leben! Die ganz bewusste Ausführung einer alltäglichen Handlung, so wie sie die Zen-Mönche beim Reinigen ihrer Zelle praktizieren, versetzt uns in eine Art meditativen Zustand. Wir können loslassen, unseren Geist entspannen und reduzieren damit auch Stress.

Tipps fürs eigene Zuhause

Hier ein paar Tipps, um mehr Achtsamkeit im eigenen Zuhause bzw. Alltag zu praktizieren:

Achtsames Falten:

Bei der KonMari Methode werden sehr viele Kleidungsstücke gefaltet aufbewahrt. Der Prozess des Faltens bzw. Zusammenlegens der Kleidung geschieht ganz bewusst. Marie rät beim Falten mit der flachen Hand über den Stoff zu streichen und dabei Dankbarkeit zu empfinden.

Erinnerungsstücke:

Dinge, zu denen wir eine positive emotionale Beziehung haben, sollten nach der KonMari Methode respektvoll behandelt und in Ehren gehalten werden. Marie empfiehlt, für diese Dinge einen schönen Platz zu finden und sie offen zur Schau zu stellen, anstatt sie irgendwo in einem Schrank zu verstauen und eigentlich kaum zu sehen.

Dekoration:

Frische Blumen oder eine Schale Obst bringen Lebendigkeit und eine Verbindung zur Natur in jeden Raum. Das entspricht auch dem Prinzip der Harmonie aus der Teezeremonie. Das Aufstellen der Blumen kann auch ein Ritual der Dankbarkeit für das eigene Zuhause sein. Das verändert die Energie sofort zum Positiven und reflektiert das Prinzip des Respekts.

Reinigung:

Abstauben oder Putzen werden meistens als lästig empfunden. Warum also nicht einmal die „Kunst des achtsamen Putzens“ ausprobieren und diese Tätigkeiten ganz bewusst ausführen, um dabei auch den eigenen Geist zu reinigen. Das kann auch ein Ansatz sein, wenn man sich mit dem Stillsitzen in der Meditation schwer tut.  

Viel Spaß beim Ausprobieren!